Mit Verspätung konnte am Montag eines der größten Bonner Verfahren gegen eine mutmaßliche Bauarbeiter-Mafia aus Köln starten. Ein Bauunternehmer und sechs Helfer müssen sich wegen Betruges verantworten.
Bonn. Mit einer Stunde Verspätung erst konnte am Montag eines der größten Bonner Verfahren gegen eine mutmaßliche Bauarbeiter-Mafia aus Köln starten. Eine Ersatzschöffin hatte den Termin nicht in den Kalender eingetragen und so startete der gut vorbereitete Mammutprozess, der bis in den Januar 2015 terminiert ist, gegen sieben Angeklagte, von 14 Rechtsanwälten verteidigt, mit lähmender Verzögerung.
Eine Stunde lang auch musste der Hauptangeklagte, der in Handschellen vorgeführt wurde, auf seinen auffällig gut gelaunten Auftritt warten. Der 42-jährige Ex-Chef eines Rohbauunternehmens aus Köln, der als einziger seit seiner Verhaftung im Oktober 2013 in Untersuchungshaft sitzt, scheint mit seinem selbstbewussten Charme das Zeug zum „Helden“ zu haben. Während die sechs mitangeklagten Helfer im Alter zwischen 43 und 60 Jahre etwas düster auf den Prozessstart warteten, flirtete er ungehemmt mit einer blonden Frau in der ersten Reihe, die er später als seine Lebensgefährtin vorstellte.
Das verliebte Augenzwinkern nahm auch kein Ende, als Staatsanwalt Pascal Regh die 161-seitige Anklageschrift vorlas, in der dem einstigen Bauunternehmer Schwarzarbeit, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt, Betrug sowie Steuerhinterziehung in insgesamt 312 Fällen vorgeworfen wird. Er soll innerhalb von dreieinhalb Jahren, von Januar 2010 bis September 2013, einen Schaden von 6,5 Millionen Euro angerichtet haben. Allein 5 Millionen Euro an Sozialabgaben sollen hinterzogen worden, weitere 1,5 Millionen am Fiskus vorbeigegangen sein. Dafür soll der „Chef“, ein hoch kompliziertes Netz von verschiedenen Subunternehmen zwischen Köln, Düsseldorf, Euskirchen, Witten und München entwickelt und „wie eine große Spinne“ die kriminellen Geschäfte gesteuert haben.
Die sechs Helfer hatten laut Anklage ihre genauen Rollen in dem Firmengeflecht und sollen mitgeholfen haben, das betrügerische System zu verschleiern, sowohl die Geldflüsse als auch die halblegale Beschäftigung von Hunderten von Bauarbeitern. Unter den Helfern ist auch ein Steuerberater aus Erftstadt mitangeklagt, der die Bilanzen so gestrickt haben soll, dass der Betrug nicht sofort auffiel. Sie müssen sich alle wegen Beihilfe verantworten. Die mutmaßlich betrügerische Baufirma war für Rohbauten zahlreicher Großprojekte in Köln und Düsseldorf beauftragt gewesen. In Bonn soll sie unter anderem in Vilich-Müldorf und in Plittersdorf engagiert gewesen sein.
Mitarbeitern des Hauptzollamtes fielen bei regelmäßigen Kontrollen 2011 erste Ungereimtheiten auf: Nach eingehenden Ermittlungen stellte sich heraus, dass die angeheuerten Männer – fast alle aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens – den größten Teil ihres Lohns schwarz, bar in einer Tüte bekommen haben. Das Ende der Organisation kam mit einer flächendeckenden Razzia im Oktober 2013.
Nach der zweistündigen Verlesung der Anklage war gestern erst mal Schluss: Fortgesetzt wird in der kommenden Woche.
Ob der mutmaßliche Kopf des Unternehmens, der 1992 als Kriegsflüchtling aus Bosnien nach Köln gekommen war, dann sein Schweigen brechen wird, ist noch offen. Zwei seiner Helfer hatten nach der Razzia ausgepackt.
Artikel vom 01.09.2014